Druckgrafik aus 2014/2015
Dominik Fraßmann
In den letzten 5000 Jahren hat kein Philosoph oder Denker jemals einen Sinn des Lebens entdeckt, der gleichermaßen sinnvoll für alle Menschen, objektiv und unangreifbar gewesen wäre. Aber die Frage nach dem Sinn der Existenz und des Lebens im Allgemeinen war schon immer ein zentraler Punkt für philosopische und theologische Spekulationen. Zumindest bis jetzt ist es bei den Spekulationen auch geblieben. Sogar das Streben nach Glück ist offensichtlich nicht der Hauptgrund der Existenz, sonst müsste die Welt ganz anders aussehen. Die Wissenschaft stellt Empfehlungen zur Verfügung, wie man sich im Leben am besten wohlfühlt und hat daraus auch ein System von ethischen Regeln entwickelt. Eine Antwort auf die Frage „Was ist der Sinn der Lebens?“ hat auch sie nicht gefunden.
Obwohl es womöglich keinen allgemeinen Sinn des Lebens gibt, besteht trotzdem noch die Möglichkeit, diese Frage individuell zu beantworten. Die Bedeutung, die dem Leben gegeben wird, ist in jedem Kopf eine andere. Manche dieser Bedeutungen wirken solide und überzeugend, andere bleiben fremd und erwecken von außen einen irrationalen Eindruck. Allen gemeinsam ist, dass es keinen objektiven Standpunkt gibt, von dem aus sie beurteilt werden könnten und so haben alle die gleiche Berechtigung. Fast jeder besitzt irgendetwas, von dem er denkt, dass es der Grund und der Antrieb für das Leben sein muss und auch der Grund, warum man sich nicht einfach umbringt. Manche stehen zu diesen Gründen sogar dann, wenn es ihnen dadurch wirklich schlecht geht. Und viele denken überhaupt nicht darüber nach, dass der Sinn des Lebens etwas Subjektives und nur für sie selbst Richtiges ist. Dies ist einer der Hauptgründe für Konflikte auf dieser Welt.
Bei meiner Recherche im Zusammenhang mit diesem Thema arbeite ich mit Bildern aus Tages- und Wochenzeitungen. Damit sind die visuellen Grundmodule meiner Arbeit mit dem verbunden, was aktuell auf der Erde passiert. Ich benutze Bilder von Menschen, die momentan im Licht der Öffentlichkeit stehen, schließe auf die ihnen eigene Zusammensetzung von Werten und tauche das Ganze in die 1772 erfundene Technik der Aquatinta, um es aus dieser Welt zu nehmen, um einen distanzierteren Blick darauf zu werfen und es von der aktuellen Geschichte zu trennen.
Aquatinta ist eine aufwändige Tiefdrucktechnik, eine Variante der Ätzung. Zuerst werden Linien in eine Zinkplatte geätzt bevor der Aquatintaprozess beginnt. (Man benutzt hierfür Kolophoniumstaub um verschiedene Graustufen zu erzeugen. Der Staub ist säureresistent und wir auf die Platte eingebrannt. Die unterschiedlichen Grautöne werden durch den Grad der Ätztiefe erzeugt. Dabei werden die Bereiche mit Asphaltlack abgedeckt, die nicht weiter geätzt werden sollen.) Auf einer Platte können mehrere unabhängige Aquatintaätzungen stattfinden. Insgesamt dauert der Prozess bis zu 30 Stunden, in denen intensiv an der Platte und am Motiv gearbeitet werden. Während des Großteils der Zeit ist das Bild nicht sichtbar. Die meisten Arbeitsschritte werden blind durchgeführt. Deshalb muss während des ganzen Arbeitsprozesses das Bild klar vor dem inneren Auge stehen. Durch diese intensive Verbindung mit dem Motiv kommt es zu einer genauen Untersuchung, was denn der Sinn des Lebens für das abgebildete Individuum sein könnte. Welcher Sinn führt genau zu dieser Art Leben und wie fühlt es sich an, so zu denken. Das Motiv wird dadurch zur Representation für jemanden, der sein Leben entsprechend dieser Zusammensetzung von Werten, diesem ihm eigenen „Sinn des Lebens“ führt.
Jeder Druck hat seine Wurzel in einer Geschichte, die momentan in den Zeitungen steht, aber jede Aktualität verliert sich und somit ist das, was übrig ist, eine individuelle Antwort auf die Frage, die sich die Menschheit schon immer stellt: Was ist der Sinn des Lebens?
Prints 2014/2015
Dominik Fraßmann
In the last 5000 years no philosopher or thinker ever came up with a meaning of life that is meaningful for everybody and objective and unquestionable. But the question of the significance of living or existence in general has been the subject of much philosophical and theological speculation throughout history. Until now there is no answer that isn’t just speculation. Even the pursuit of happiness is obviously not the main reason to live, otherwise the world would have to be completely different. Science provides recommendations for the pursuit of well-being and has created a related conception of morality; but no answer for the question “What is the meaning of life?”
While there maybe is no meaning in life in general, there are still possibilities to answer the question individually. There are different meanings in the heads of every single person. Some of them may seem solid and convincing while others seem strange and stupid from the outside. All of them may be equally legitimate, since there is no objective point of view to judge them.
Everyone has something which they think is the reason why they live on instead of just quitting life. Some people stick to their meaning even when it makes them feel awful. A lot of people don’t even think about their meaning of life as something that is subjective and only right for them, which is one of the main reasons for conflicts in this world.
For my research in the context of this topic I’m working with material from newspapers. Therefore the basic visual elements of the work are the current events of the world. I seek out pictures of contemporary people with their particular set of values and use the technique of aquatint, invented in 1772, to take them out of the world and look at them with detachment from the actual story.
Aquatint is an elaborate intaglio printmaking technique, a variant of etching. First marks are etched on a zinc plate, and then the aquatint process is applied. (Powdered resin is used to create a tonal effect. The resin is acid resistant and adhered to the plate by controlled heating. The tonal variation is controlled by the level of etching of the powdered areas. To prevent further etching areas are covered with asphalt.) On one plate there can be several independent aquatint areas. The whole process takes up to 30 hours of intensive work with the plate and the motif. During the greater part of this process the picture is not visible on the plate. All the working steps have to be done blindly. Hence during the process the picture has to be represented wholly in the mind. This intensive relationship with the motif leads to close examination of what could be the meaning of life for the represented individual, what meaning produces that kind of life and how it might feel to think in that way. The motif becomes representative for somebody who lives their life according to that set of values, to that particular “meaning of life”.
Even if every print has its root in a story that is currently circulated by newspapers, since this actuality loses its weight anyhow, what’s left are the individual answers to the question that’s being posed since man can think: what’s the meaning of life?
1976 geboren in Albstadt-Ebingen
1995 Abitur
1995-1996 Zivildienst
1996-1998 Seeger Press, Foto-Presse-Agentur
1998 bis 2005 Studium Mathematik, Geographie, Germanistik
1999 bis 2003 Arbeit in der Druckgrafikwerkstatt – Institut für bildende Künste, Karlsruhe (Prof. HM Erhardt)
2005 bis 2009 verschiedene Theaterprojekte, Arbeit als Schlagzeuglehrer, Karlsruhe
2009 Lehramtsanwärter Lilienthalgymnasium, Steglitz
2009-2010 Arbeit an Theatern (Berliner Ensemble, Maxim Gorki Theater, Berlin),
Seit 2011 selbstständig als Künstler, Musiker und Autor in Berlin. Nebenbei Mathematiklehrer und Veranstaltungsportraitist